ADHS ist eine Hyperaktivitätsstörung, die sich auf die Impulsivität von Betroffenen auswirkt. Genauer gesagt, eine Störung mit der Dopamin-Ausschüttung im Belohnungszentrum. Sie können nicht stillsitzen, da die „interne Stimulation des Gehirns“ nur unzureichend funktioniert. Also suchen sie ständig externe Reize aus ihrer Umgebung, so Sven Rohde von „Psychologie heute“. ADHS kann sich auf unterschiedlichste Arten äußern. Ob durch einen rastlosen Zappel-Phillip-Charakter, der ständig an irgendetwas herumspielen muss (auch wenn es nur mit der Fingerspitze am Kugelschreiber oder der Zunge am Gaumen ist), Vergesslichkeit, geringe Kritikfähigkeit, schnelle Aufmerksamkeitssprünge und ein Hang zum Chaos… ADHS-Symptome können echt nervige Marotten manifestieren. Viele Erwachsene schaffen es, die innere Rastlosigkeit zu unterdrücken, aber die anderen Impulsprobleme und eine grundsätzliche Organisationsschwäche bleiben durchaus bestehen. So sehr Betroffene sich auch zusammenreißen, sie können ihr Verhalten nicht ändern. Am schlimmsten ist, dass Betroffene sich durch das Aufschieben von alltäglichen Pflichten mit der Zeit immer wieder echte Probleme erschaffen. Auch für Suchterkrankungen und Stimmungsschwankungen sind sie anfälliger. Viele Dinge, die für uns völlig normal und alltäglich scheinen, sind für ADHS-Patienten echte Hürden, die sie mit viel Überwindung meistern müssen.

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ADHS-Patienten sind auch in Beziehungen meist sehr chaotisch. Sie halten sich nicht an Absprachen, haben ein mangelhaftes Planungsvermögen und enttäuschen ihre Umwelt zwangsläufig am laufenden Band. Abhängig vom Schweregrad der Impulsstörung brauchen ihre Partner sehr viel Verständnis und vor allem Geduld. Schnell fühlen sie sich unverstanden und bekommen den Eindruck, dass ihre Mühen von anderen nicht ausreichend gewürdigt werden.

ADHS-Erkrankten mangelt es dabei keinesfalls am Charme. Im Gegenteil: Betroffene kommen meist schnell in Kontakt mit anderen und können eine unglaublich einnehmende Persönlichkeit besitzen. Gerade beim Dating und in der Anfangsphase von Beziehungen geben ADHS-Patienten oftmals alles – solange, bis zumindest die rosarote Brille abflaut. Hinzu kommt, dass auch die verliebten Partner/innen der ADHS-Patienten anfangs zu gern über die kleinen Marotten (Unordnung, mangelndes Zeitmanagement…) hinwegsehen. Anfangs werden sie noch als süß oder als romantische Schusseligkeit empfunden. Irgendwann beginnen diese Marotten dann aber doch zu nerven und können zu Dauerkonflikten einer Beziehung werden. Betroffene haben tatsächlich ein 3-5mal höheres Scheidungsrisiko… eben, weil vielen Partner das Verständnis fehlt.

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Wer ADHS-Patienten jetzt als unfähig abstempelt, könnte falscher nicht liegen. Solange Menschen mit der Aufmerksamkeitsschwäche sich nämlich mit Themen beschäftigen, die sie interessieren und ausfüllen, leisten sie sehr gute Arbeit. Sie können sich sehr leidenschaftlich einer Aufgabe verschreiben und ein entsprechend hohes Commitment beweisen – beruflich wie privat. Wenn ein ADHS-Betroffener also durch ein passendes (seine/ihre Interessen stimulierendes) Umfeld supported wird, steht einem Giver-Charakter nach Adam Grant nichts im Weg. Das sieht auch Prof. Dr. Alexandra Philipsen von der Uni in Bonn so. Die Psychiaterin erklärt, dass der Umgang mit ADHS zwar nervig sein kann, aber bereits das Wissen um die Impulsstörung hilft vielen im Umgang mit Erkrankten.

Für Philipsen ist es daher unumgänglich, die Ressourcen einer Person mit Aufmerksamkeitsschwäche zu bewahren. Metaphorisch umschrieben könnte man auch sagen, ihren Zauber zu bewahren. ADHS-Patienten können mitunter sehr kreative und ausgefallene Problemlösungen erkennen, sie sind energisch, aufgeschlossen und (bei vernünftiger Medikation) zu den gleichen Erfolgen fähig wie nicht-erkrankte Mitmenschen. Haben sie erst ihre Nische in einer gesellschaftlichen Produktivitätskette gefunden, können sie Großartiges auf ihrem jeweiligen Gebiet leisten – ob als Handwerker oder Uni-Professor. Sven Rohde erkennt vielmehr ein Problem darin, dass die Partnerschaft unter dem außerordentlichen beruflichen Engagement leiden kann (gerade bei vielen Überstunden). Hier prallen zwei Erwartungshaltungen aufeinander und aus dem Stolz über den beruflichen Erfolg des Partners kann schnell der Verdacht entstehen, dass er/sie nur für den Job lebt.

Prof. Andreas Reif, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Frankfurt empfiehlt neben einem Dopamin-Ausschütter (z.B. Ritalin: Der Stoff soll das unterversorgte Belohnungssystem fördern und dadurch die Konzentration auch bei wenig aufregenden Aufgaben gewährleisten) auch andere Maßnahmen, die sich allesamt trainieren lassen. Organisations-Prinzipien können gelernt werden, Konzentrations-Übungen und autogenes Training wirken beruhigend (genauso wie das Auspowern beim Sport). ADHS-Symptome können dadurch sehr gut behandelt werden, sodass manche Betroffene nahezu beschwerdefrei mit der Impulsstörung leben, wie Prof. Reif bestätigt.

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Und wie sollten Partner mit der adulten ADHS umgehen, um nicht andauernd in Streit zu geraten? Mit einem hohen Maß an Kommunikation und Planung des Umfeldes. Besprechen Sie alles, machen Sie To Do Listen und machen Sie alle Aufgaben transparent, um im Ernstfall erkennen zu können, ob gravierende Probleme gerade schleifen. Betroffene müssen sich hingegen aktiv mit ihrer Impuls-Störung auseinandersetzen. Sie müssen ihre Umwelt und die sich ihnen stellenden Aufgaben reflektieren. Alle Experten sind sich sicher, dass ein gemeinsames Leben nicht durch ADHS an Qualität einbüßt, sofern der Umgang mit der Impulsschwäche ein unterstützender und verständnisvoller ist. Aufmerksamkeitsstörung und Liebe schließen sich somit keineswegs aus. Nicht wenige Paare zeigen, dass sie trotz der Impulsstörung eine glückliche und erfüllte Beziehung leben. ADHS-Betroffene müssen lediglich hin uns wieder durch ein vernünftiges Maß an Fremd-Management unterstützt werden. Und echte Liebe beweist sich doch gerade durch das gegenseitige Verständnis für die Schwächen des anderen. Einer echten Vertrauensgemeinschaft steht ADHS somit keinesfalls im Wege.

Quelle: Sven Rohde „Mein Partner hat ADHS“ in: Psychologie Heute Compact 56: Schwierige Menschen, S. 27