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Im schlimmsten Fall drohen im Internet sogar echte Gefahren. Wie diese Gefahren entstehen und warum wir uns dennoch keine Sorgen machen müssen, möchte ich euch im dritten Teil unserer Reihe zur Digitalisierung der Liebe erklären.

Viele Partnersuchende idealisieren ihre aktuell vielversprechenden Online-Bekanntschaften stark und interpretieren zu viel in die oftmals spärlichen Informationen auf Online-Suchportalen oder in eine freundliche Antwort eines anderen Liebessuchenden dort. Im schlimmsten Falle handelt es sich bei diesen Profilen um einen Betrüger oder sogar einen Computer, mit dem man gerade anbändelt. Sogenannte IKM-Schreiber arbeiten als Lockvögel im Auftrag der Onlineportale auf dem Internet-Kontakt-Markt und täuschen dabei mitunter echtes Liebesinteresse bei Nutzern des Portals vor, obwohl die von ihnen präsentierten Menschen hinter den Nutzer-Profilen gar nicht existieren. Die Motive dahinter sind unterschiedlich. Manchmal wollen die Plattform-Betreiber einfach ihre Nutzer stärker an die Seite binden oder ihre Klickzahlen aus Werbungs-Gründen verbessern. Im schlimmsten Fall zielen solche Hinhalte-Maschen in kostenpflichtigen Portalen darauf ab, dass der Nutzer immer mehr Geld für die Kommunikation mit dem vermeintlichen Traumpartner ausgibt. Andere Betrüger täuschten sogar Notlagen vor, um dann um Geld zu betteln – eine leider sehr erfolgreiche Taktik, wenn das Opfer erst eine emotionale Verbindung zu dem netten Profilfoto und der charmanten Telefonstimme aufgebaut hat. Es kam sogar vor, dass Betrüger geheime oder peinliche Daten erfragt hatten, um die Opfer dann später mit diesen Daten (einer Adresse oder vielleicht einem Nacktfoto) zu erpressen. Die Bandbreite reicht hier also von harmlosen Versuchen der Reputationssteigerungen bis hin zu echter Kriminalität. Andere wollen keinen materiellen Reichtum ergaunern – es geht ihnen schlichtweg um die Macht, die sie dabei empfinden, wenn sie mit der Gefühlswelt eines ahnungslosen Menschen spielen können. Manche haben sich mit dieser Form des vorsätzlichen Täuschens eine Art perfides Hobby aufgebaut, bei dem sie als Internetphantom andere gezielt belügen oder in die Irre führen. Wenn die Gespräche so intensiv und intim werden, dass sich ein Face-to-Face-Kontakt anbahnt, schieben die Phantome dann Notlagen, Unpässlichkeiten oder andere Probleme vor, bis die Opfer (oftmals mit maximalem, emotionalen Schock) selbst feststellen müssen, dass sie sich in eine Fiktion verrannt haben, die nicht wirklich existiert. An diesem pietätlosen Spiel sind Menschen bereits emotional zerbrochen…

Scammer erkennt man zum Glück recht einfach

Auch die Masche der Betrüger folgt einem bestimmten Muster, welches sich erkennen lässt. Gefährlich sind mitunter Männer-Profile mit ungewöhnlich erfolgreichen, meist international ausgerichteten Lebensläufen. Betrügerische Frauenprofile stechen meist mit ausgesprochen attraktiven Fotos und einem selbstaufopfernden Lebenslauf heraus (z.B. eine Arbeit im Waisenhaus), was den männlichen Beschützer-Instinkt wecken soll. Die schlechten Deutschkenntnisse sowie erhebliche Rechtschreibfehler in diesen Profilen sind meist auf Internet-Übersetzungs-Maschinen zurückzuführen. Es ist davon auszugehen, dass 95% aller englischsprachigen Nutzerprofile auf deutschen Dating-Seiten betrügerische Online-Scammer oder andere fragwürdige Entitäten sind. In 2015 brachten 12.509 Personen einen Online-Betrug in Zusammenhang mit Dating-Portalen oder IKM-Schreibern bei der deutschen Polizei zur Anzeige. Die Dunkelziffer ist vermutlich sehr viel höher, da sich viele Opfer schämen oder befürchtet, von der Polizei als leichtgläubige Trottel abgestempelt zu werden. Die Täter und ihre Methoden werden dabei immer professioneller und hemmungsloser. Waren Online-Scammer vor zehn Jahren noch anhand ihres Verhaltens relativ schnell zu ermitteln, sind heute sogar Computerprogramme nicht mehr von realen Menschen zu unterscheiden. In einigen Jahren wird diese Grenze komplett verschwommen sein, da auch Algorithmen immer cleverer geschrieben werden können. Beim ersten Verdacht darauf, dass Sie von einem Online-Scammer belästigt werden, versuchen Sie bitte, das Kontaktprofil im Internet zu recherchieren. Nutzername (noch besser der bürgerliche Name) ihres Gesprächspartners, Emailadresse, Portalinformationen – Sie haben schon echte Möglichkeiten mithilfe von Online-Suchmaschinen selbst etwas herauszufinden. Wenn Ihnen Fotos zur Verfügung stehen, bietet Google eine Bilder-Rückverfolgung an, um zu verifizieren, dass nicht irgendwelche unbekannten Modelportraits einer Agentur von sonstwo das Profil ihres Gesprächspartners schmücken. Verschenken, verleihen… Sie niemals Geld an Menschen die sie nur online kennen! Egal wie traurig die Ihnen vorgetragene Geschichte auch ist. Speichern Sie außerdem beim ersten Verdachtsmoment sofort den gesamten Chatverlauf und sämtliche Daten des anderen Nutzers, da diese mitunter als Beweise fungieren können. Zuletzt eine herbe Erkenntnis: Für den Fall, dass Sie tatsächlich Opfer werden; Verlassen Sie sich bitte nicht auf die Polizei. Es mag sehr ernüchternd klingen, doch es ist belegbar wahr. Das Internet ist ein weitestgehend rechtsfreier Raum, in dem Ihnen auch die Polizei keine Hilfe bieten kann und wird. Bringen Sie etwaige Straftaten bitte weiterhin zur Anzeige – erwarten Sie sich jedoch nicht mehr davon, als mit ihrer Anzeige in eine polizeiliche Statistik ungelöster Online-Kriminalitätsopfer einzugehen. Ein Großteil der gemeldeten Online-Verbrechen (gerade im Dating-Sektor) versandet ungelöst. Dies liegt daran, dass der Identitätsdiebstahl, nach deutschen Gesetzbüchern, keinen Straftatbestand darstellt – zumal echte Online-Verbrecher ihre Spuren meist sehr gut zu verschleiern wissen. Monetäre Schenkungen sind auch nicht verboten… Der Versuch rechtliche Ansprüche geltend zu machen, kann im Internet sehr frustrierend werden. Auch wenn die deutschen Exekutivorgane dies ungern zugeben werden, sind sie absolut machtlos gegen das relativ junge Phänomen des Online-Betrugs, welches übrigens jahrelang von der westafrikanischen Nigeria-Connection organisiert wurde. Mittlerweile sind die Betrüger längst global geworden.

Gönnen Sie sich ruhig mal eine Auszeit!

Akademikerin mit Brille und Buch

Es kann also alles schon etwa entmutigend wirken. Angesichts von neu entstandenen Onlinezwängen, der Permanenz des Internets, das niemals vergisst und angesichts ungewisser (manchmal gefährlicher) Anonymitäten, denen man sich preisgeben könnte, entsteht schnell ein pessimistischer Eindruck – Das ist nicht unser Ziel! Die meisten Nutzer sind sich der digitalen Gefahren sehr bewusst und gehen entsprechend behutsam mit sich und ihrem Online-Leben um. Gerade Kinder und Jugendliche sind hier mittlerweile oft umsichtiger, als so mancher Erwachsene. Eine Studie unter 14- bis 17-Jährigen zeigte in 2015, dass mittlerweile sogar die erste Generation entstanden ist, die anfängt digital müde zu werden und die regelmäßige Digitalflucht (man entzieht sich im Rahmen einer Auszeit sämtlichen computergestützten Unterhaltungsmedien) tatsächlich als sehr wohltuendes Gefühl innerer Ruhe beschreibt.

Wie gesagt, hat sich die Online-Kommunikation klar durchgesetzt und ermöglicht Millionen von Nutzern ein geselliges Miteinander. Würden nur böse Menschen hinter den online Profilen stecken, hätte sich diese Form der Interaktion vermutlich nie ausdifferenzieren können. Wer sich den Gefahren jedoch bewusst ist, kann sich darauf einstellen und das Medium dennoch erfolgreich nutzen. Und es gibt noch einen Grund zum Aufatmen: Auch die digitale Gesellschaft von heute orientiert sich immer noch am vorgelebten Liebeskonzept der eigenen Eltern. Am Grundgerüst Paarbeziehung per se hat sich herzlich wenig geändert, angesichts der Umstrukturierungen zur Genese neuer Beziehungen. Soziale Medien haben keine spürbaren Auswirkungen darauf, wie wir heute lieben und unsere Beziehung gestalten. Zudem besteht keine Beziehungsunfähigkeit bei den Digital Natives. Mehr als die Hälfte der untersuchten Paare aus North Carolina war auch noch nach einem Jahr glücklich zusammen. Unter anderem bestätigte die US-Studie, dass die elterlichen Beziehungen grundsätzlich als prägendes Idealbild für die eigene Beziehung dienen – entweder als positives oder negatives Beispiel, aber sie bleiben zentraler Bezugs- und Vergleichsanker. Heutige Jugendliche scheinen sich jedoch deutlich weniger Illusionen von der Liebe und einer dauerhaften Beziehung zu machen, als vorherige Generationen. Sie haben zu oft vom Scheitern der Liebe gehört, gelesen oder sie in Filmen betrachtet. Gerade deshalb scheinen sie aber explizit auf die gesunde Stabilität ihrer eigenen Beziehung zu achten. Eben weil sich so viele Liebespaare wieder trennen. Auf Massenbasis kommt es somit zu einer Stabilisierung der bestehenden Grundgesamtheit an Beziehungen. Und das trotz wachsender Online-Angebote, welche ja eigentlich schnell und unkompliziert neue potenzielle Matches finden könnten. Vielleicht kommt es ja noch zum neuen Erwachen der kleinbürgerlichen Familie, was ein echtes soziologisches Paradoxon wäre. Völlige Entgrenzung der Online-Möglichkeiten zwingt die Handelnden zur Rückkehr in Werteschemata, aus denen das Internet sie erst (mit) befreit hat.

Die Digitalisierung der Liebe Teil 1

Die Digitalisierung der Liebe Teil 2

Mit Liebe recherchiert…

Quelle:

Geo Wissen Magazin, 2016, Nr. 58 „Liebe“