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Anfang 2018 hat Großbritannien ein eigenes Ministerium gegen Einsamkeit gegründet, weil in Großbritannien Zahlen bekannt wurden, nach denen etwa 9 Millionen britische Bürger ständig oder häufig einsam sind. Etwa 1,2 Millionen von ihnen leiden unter chronischer Vereinsamung, der schwere physische Konsequenzen folgen können. Durch das Einsamkeitsministerium werden Menschen in soziale Projekten eingebunden, die sie aktiv mit der Gesellschaft in Kontakt bringen sollen. Senioren lesen Schulkindern nachmittags im Gemeindesaal vor oder helfen bei den Hausaufgaben. Auch jüngere Generationen organisieren Gesellschaftsspielabende, Schachwettkämpfe oder Ausstellungen im Bereich Kunst, Musik oder Kultur.

Goethe sagte nicht ohne Grund: „Um die Einsamkeit ist`s eine schöne Sache, wenn man mit sich selbst in Frieden lebt und was Bestimmtes zu tun hat.“ und Wilhelm von Kügelgen schrieb: „Wir Menschen brauchen beides, Geselligkeit und Einsamkeit, um innerlich gesund zu bleiben. Eins wird uns immer krank machen.“ Wir reden hier aber nicht davon, dass jemand sich ausklinkt, um eine Weile entschleunigt die Ruhe zu genießen, sondern von dem Gefühl ohne irgendjemanden anderes auf der Welt zu stehen, keinen sozialen Rückhalt zu erfahren und sich auf niemanden tatsächlich verlassen zu können. Akute Einsamkeit kommt und geht in Phasen – viele kennen sie, aber beschreiben dies als nicht weiter problematisch. Chronische Einsamkeit hingegen hat sich bereits manifestiert, hat Ängste, Bedenken und depressive Hürden im Kopf Betroffener entstehen lassen, die sie darin hemmen, wieder unter Leute zu gehen und aktiv gegen ihre Einsamkeit zu arbeiten. Es stellen sich dabei mitunter Minderwertigkeitsgedanken ein. Einsamkeit ist ein depressives Symptom, so Spitzer. In Kombination mit anderen Symptomen (Schlaflosigkeit, Lustlosigkeit an früheren Hobbies und Interessen sowie tiefe Traurigkeit), kann sich dann das Syndrom Depression einstellen, so Spitzer.

Außerdem rät der Experte dazu, schon viel früher anzusetzen und im Leben Kernkompetenzen zu erwerben. Lernen Sie ein Instrument, entwickeln Sie eine künstlerische Ader oder lernen Sie Lieder auswendig und singen Sie – kurz: erwerben Sie so früh wie möglich Kompetenzen, auf die sie später einmal zurückgreifen können. Im Alter kommt es leichter zu sozialer Isolation. Oftmals nach dem Tod des Ehepartners, wenn Kinder längst aus dem Haus sind, stellen sich Einsamkeitsgefühle ein. Sie ist jedoch kein exklusives Problem der älteren Generationen, wie wir später noch sehen werden.

In Großbritannien haben sogenannte Kuscheltherapeuten Geborgenheit als lukratives Geschäftsmodell entdeckt. Sie besuchen ihre Kunden, nehmen sie in den Arm und geben ihnen damit wichtige Impulse, die der Einsamkeit entgegenwirken sollen. Geborgenheit als Geschäftsmodell mag zunächst falsch klingen, die Kunden solcher Leistungen erkennen aber tatsächlich einen therapeutischen Nutzen für sich. Dass man etwas gegen Einsamkeitsgefühle unternimmt, ist dabei der einzig richtige Ansatz. In 2003 wurde wissenschaftlich belegt, dass Schmerzempfinden und Einsamkeit einander ergänzende Komponenten sind. Dass Vereinsamung ansteckend ist, wurde 2009 nachgewiesen. Chronische Vereinsamung hat gesundheitliche Konsequenzen und wiederkehrende Einsamkeitsepisoden sind nicht nur so ungesund wie Rauchen oder falsche Ernährung, sondern auf lange Sicht sogar genauso tödlich, wie durch zwei unabhängige Studien in 2010 und 2015 belegt werden konnte. Einsamkeit tötet!

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Der Psychiater und Hirnforscher Manfred Spitzer hat sich intensiv mit Einsamkeit auseinandergesetzt. Spitzer nennt drei Faktoren, die sie begünstigen und mitunter ihre Genese bestimmen: Wir leben zunächst häufiger allein, als früher. Während weniger Familienhaushalte existieren, boomt das überzeugte Single-Dasein wie nie zuvor. Das bei stabilen Beziehungsraten. Ferner, so Spitzer steigt unsere Tendenz zur Urbanisierung. Immer mehr Menschen leben in Großstädten und dort  besteht nachweislich weniger sozialer Zusammenhalt. Man kennt sich nicht und die wenigsten grüßen sich überhaupt noch auf der Straße. Zuletzt die voranschreitende Mediatisierung der Gesellschaft. Mit zunehmender Digitalisierung (beim Einkauf, Buchen von Tickets bis hin zur Pizzabestellung über Online-Liefer-Portale) entgehen uns viele kleinere Alltags-Begegnungen, so Spitzer. Aus dem Gespräch an der Brötchen-Theke wurde der SB-Bäcker. Die Beratung beim Kleiderkauf entfällt auf Onlineshops wie Zalando, Modomoto oder Outfittery. Je mehr Automation, desto weniger physische face-to-face Kontakte entstehen uns. Was aus betrieblicher Sicht Lohnkosten spart, schafft an anderer Stelle Einsamkeit.

Einsamkeit ist ein Seelenzustand, während Krankheit oder Tot physisch sind. In den meisten Fällen werden einsame Menschen also durch ihren emotionalen Zustand so geschwächt, dass sie anfälliger für potenziell letale Erkrankungen werden, die sie tatsächlich körperlich schwächen oder töten können. In 2007 wurde nachgewiesen, dass Stresshormone eine nachweisbare Abhängigkeit zu Einsamkeit aufweisen. Bei einem Versuch wurden Probanden 25 Mal spontan aufgesucht und man stellte jedes Mal folgende Frage: „Denken Sie an die letzte Person, mit der sie heute länger gesprochen haben. Könnten Sie bei dieser Person heute Nacht um halb Drei klingeln und auf der Couch übernachten?“ Jene Probanden die diese Frage mehrheitlich bejahten, wiesen offenbar ein größeres und/oder stabileres soziales Netzwerk auf, als solche, die mehrheitlich mit Nein antworteten. Man entnahm den Versuchsteilnehmern anschließend Speichelproben und untersuchte die Amylase auf Stresshormone. Bei den Teilnehmern, die mehrheitlich Nein geantwortet hatten, waren deutlich höhere Stresshormone im Blut nachweisbar, als bei Menschen mit einem stabilen Sozialgefüge. Stress ist laut Spitzer direktes Resultat chronischer Einsamkeit. Er reduziert die Funktion unseres Immunsystems, erhöht Blutdruck und Zuckerwerte im Körper. Daraus resultieren dann ernsthafte Erkrankungen und Vorbelastungen für Infarkte, Schlaganfälle, Krebs oder Diabetes. Wie Spitzer betont, sind das jene berüchtigten Volkskrankheiten, die hierzulande die Mortalitätsrate begründen.

Was sagen die Zahlen in Deutschland? Insgesamt fürchten sich 13,5% aller Deutschen am meisten vor sozialer Isolation. Vier von fünf Deutschen gaben im Mai 2017 gegenüber Splendid Research an, sich gelegentlich einsam zu fühlen. Die Hälfte sagte jedoch gleichzeitig aus, dass ihre Einsamkeit eher sporadisch auftrete und nur von kurzer Dauer sei. Solche akuten Einsamkeitsepisoden sind normal und nicht weiter bedenklich. Nur 20% aller Befragten (Grundgesamtheit waren 1039 Personen zwischen 17 und 80 Jahren) kannten die Emotion gar nicht. Jeder Achte gab an, sich häufig oder sogar ständig einsam zu fühlen. In der Altersgruppe zwischen 18 und 29 Jahren wählten satte 17% diese Kategorie. Zum Vergleich gaben nur verblüffende 4% der Befragten zwischen 60 und 70 Jahren an, ständig oder häufig einsam zu sein. Die Gründe dafür sind verschieden. Etwa 54% der Betroffenen finden die Schuld dafür in eigenen Lebensumständen (Tod oder Trennung vom Partner, Berufliche Auslastung oder ein Umzug). Etwa 36% sehen in ihrer Persönlichkeit einen Grund für mangelndes Kontaktverhalten, während 27% die Digitalisierung unserer Gesellschaft beschuldigten, soziale Kontakte immer weiter zu drosseln und 15% der Befragten beschuldigten andere Menschen (Mehrfachnennungen waren in dem zu Grunde liegenden Survey möglich). Einen ähnlichen Nexus zur Social Media Society erkennt auch Manfred Spitzer.

Der Experte nennt zudem echte Maßnahmen gegen Einsamkeit: Einfache Tipps sich aufzuraffen greifen hier meist nicht weit genug. Hilfreich ist es laut Spitzer jedoch, sich eine Aufgabe mit Kontaktmöglichkeit zu anderen Menschen zu suchen. Ein Ehrenamt, ein Verein, eine Klatschrunde oder das bekannte Senioren-Schwimmen am Morgen. Eine Möglichkeit zum Austausch mit anderen. Laut Spitzer hat es zudem wohltuende Wirkung, wenn man sich im Rahmen einer kleinen freiwilligen Aufgabe einbringt. Viele empfinden es als grundsätzlich sehr erfüllend, einer Tätigkeit nachgehen zu können. Deshalb haben auch viele Langzeitarbeitslose Minderwertigkeitsgefühle oder sogar echte Depressionen und blühen erst dann erneut auf, sobald sie wieder einem Job nachgehen können und sich von der Gesellschaft gebraucht fühlen.

Stetiger Kontakt mit anderen Menschen fördert zudem Empathie. Man ist freundlicher, hilfsbereiter und insgesamt dadurch auch glücklicher. Diese Faktoren, so Spitzer helfen aktiv bei Einsamkeit. Sich vor dem Fernseher zurückzuziehen hat übrigens eine gefährliche Tücke. Woody Allen sagte einmal, dass heimtückische am Fernsehen sei es, dass es die Einsamkeit unterdrücke. Nichts auf der Welt ersetzt echte face-to-face Interaktionen und echte zwischenmenschlichen Nähe.

Mit Liebe zusammengetragen aus:

https://www.splendid-research.com/de/ueber-uns/presse/item/studie-einsamkeit-deutschland-2017

https://www.youbube.com/watch?v=tJLtDRrimAs

https://www.youtube.com/embed/mUslpbmEiz0