John Gray, der Autor des legendären Ratgebers “Men are from Mars, Woman are from Venus”, setzt sich in mittlerweile mehr als 17 Büchern mit der Kommunikation zwischen Mann und Frau auseinander. Jedes seiner Bücher gilt als Bestseller und Gray´s Literatur wurde mittlerweile in über 45 Sprachen übersetzt. Auf seinem Forschungsgebiet ist er ein echter Rockstar. Gray´s Forschungsfokus liegt in der Erklärung der emotionalen Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Er sieht sich als eine Art Mediator – dem Ziel verschrieben ein besseres Verständnis der wechselseitigen geschlechtsspezifischen Bedürfnisse zu schaffen und dadurch Beziehungen generell zu verbessern. Zunächst kommen wir dafür aber leider nicht um etwas Hormonlehre herum.

Ein Mann um die 50 Jahre hat lediglich noch die Hälfte des Testosteronlevels, welches er in seinen 20ern hatte. Das sich die Degression des Powerhormons auf die Laune eines Mannes auswirken kann, ist schon lange kein wissenschaftliches Novum mehr. Deshalb ging man lange Zeit davon aus, dass beide Faktoren sich unmittelbar bedingen. Umso überraschter waren die Forscher, als sie 2002 herausfanden, dass das Phänomen wütender alter Männer (z.B. Trump) nicht allein auf Testosteron zurückzuführen ist, sondern genauso auf Östrogen. Während die Testosteronwerte im männlichen Kreislauf nämlich absinken, schießt das Östrogen im Körper des Mannes mit zunehmendem Alter nach oben – mit fatalen Auswirkungen.

Wenn Männer gestresst sind, hilft ihnen Testosteron, sich zu beruhigen und Herr über ihre emotionale Gefühlswelt zu bleiben. Testosteron senkt bei Männern aktiv Stress. Östrogen hat die exakt umgekehrte Wirkung auf den männlichen Organismus. Und sobald sich ein Mann hilflos und unfähig fühlt, wird das Testosteron in seinem Körper in Östrogen umgewandelt. Dies geschieht bei Wirbeltieren über das Enzym Aromatase (oder formal auch CYP19A1 bekannt), so Gray. Sobald die Aromatase aus dem Testosteron erst Östrogen gemacht hat, wird der Mann mental mit Angst und Zorn überschüttet – eine Kurzschlussreaktion bahnt sich an. Chronisch niedrige Testosteronwerte gehen bei Männern zudem mit einer ganzen Reihe negativer Begleiterscheinungen einher.

Das Risiko für Prostatakrebs, Herzerkrankungen oder auch Depressionen erhöht sich. Deshalb sind männliche Gemütserkrankungen auch nur bedingt mit weiblichen Depressionen vergleichbar. Die männliche Depression nährt sich an dem wiederkehrenden Gedanken, dass ein Mann nicht mehr gebraucht würde, dass sein Rat überflüssig sei und er deshalb keine Probleme mehr vorgesetzt bekommt, die es zu lösen gilt. Als Folge gibt es für den Mann nichts mehr zu tun. Solche Gedanken treiben Männer nicht selten in eine tiefe Depression. Da viele Männer häufiger geneigt sind, Probleme und finstere Gedanken zu verdrängen, anstatt sie anzugehen und zu lösen, besteht hier echtes Gefahrenpotenzial. Gründe dafür könnten Sozialisation sowie gesellschaftliche Erwartungshaltung sein. Manchmal hilft hier ein Impuls zu positivem Denken.

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In den viertägigen Workshops des renommierten Beziehungsexperten John Gray werden Männer und Frauen zunächst in zwei Gruppen separiert, räumlich getrennt und mit der Aufgabe betraut, die Probleme ihrer Beziehung und Unzulänglichkeiten ihrer Partner/innen niederzuschreiben. Die Männer kommen dabei meist mit einer halbe Plakatseite hin, während die Frauengruppen von Beginn an mindestens fünf Plakatseiten zur Verfügung gestellt bekommen und trotzdem in den meisten Fällen noch die Rückseite brauchen, um sich das gröbste von der Seele zu schreiben. Wenn Männer dann diese Plakate sehen, ist die Reaktion fast immer dieselbe „Da… Sie sehen es ja selbst John… das ist das Problem… Frauen sind nur am meckern…“.

Gray führt weiter aus, dass Männer und Frauen grundsätzlich anders mit ihren Problemen umgehen. Testreihen zu diesem Thema haben ergeben, wenn ein Mann sich ruhig auf eine Couch setzt und entspannt, die Blutzufuhr zum Gehirn scheinbar unterbrochen wird (natürlich ist das nur metaphorisch gemeint). Trotzdem haben Gehirnscans bewiesen, dass bei einem Mann die Gedankenleistung deutlich nachlässt, wenn er auf einer Couch relaxt, während Frauen auch dann ihre intellektuelle Höchstform nicht einbüßen. Wenn Sie diesen Ansatz interessant finden, kann ich Ihnen nur den Beitrag „Männergehirne vs. Frauengehirne“ nahelegen, in dem das neuronale Nichts-Kästchen des Mannes erklärt wird.

Frauen können solche Entspannungsmomente auf der Couch dafür nutzen, um stundenlang über Gott und die Welt nachzudenken oder sich im besten Falle über sie auszutauschen – gleichzeitig entspannen sie sich jedoch dabei. Selbst bei den intensivsten Gesprächen wird Oxytocin vermehrt im weiblichen Organismus ausgeschüttet und reduziert ihren Stresshaushalt, da es Cortisol (das Stresshormon) neutralisiert. Ebenso löst Oxytocin bei Frauen emotionale Hochphasen aus und (Männer aufgepasst!) lässt sie im Bett schneller zum Höhepunkt kommen.

Gray warnt jedoch eindringlich davor, künstlich an den Oxytocin-Werten einer Frau herum zu manipulieren. Das Prinzip ist vergleichbar mit einem Alkoholrausch. Auf einen tollen Abend voller Spaß und Freude folgt ein übler Kater. Wer einer Frau also Oxytocin verabreicht (und Oxy ist als synthetisches Medikament in Reinform durchaus erhältlich – sogar als Deoroller oder Nasenspray) wird wahrscheinlich einen tollen Abend mit ihr verbringen, sollte jedoch am nächsten Morgen zügig in Deckung gehen, wenn sich ihr Level wieder herunter reguliert hat. Lassen Sie es mich das Ikarus-Prinzip nennen: Je höher man fliegt, desto tiefer wird man am Ende fallen. Daher sollten Männer es doch lieber bei Gesten, Komplimenten und ungeteilter Aufmerksamkeit belassen, um auf natürlichem Wege die Oxytocin-Ausschüttung im weiblichen Organismus zu fördern.

Schön und gut… aber was will Gray damit sagen? Naja… obwohl die Verbindung zwischen Oxytocin und Testosteron zunächst etwas befremdlich wirken mag ist Gray`s konkludierender Ansatz trotzdem logisch: Wenn ein Mann die Oxytocin-Werte einer Frau durch kleine Aufmerksamkeiten und eine tolle gemeinsame Zeit (z.B. bei einem Ausflug oder einem romantischen Dinner) ankurbelt, löst er ein Problem. Wenn ein Mann sich aktiv als Problemlöser empfindet, steigt sein Testosteronlevel an. Sparen Sie also rund ums Jahr niemals an romantischen Valentinstags-Klischees, um sich selbst gebraucht und damit männlich zu fühlen, so John Gray.

Wussten Sie übrigens, dass weibliche Stresslevel im Gesamtdurchschnitt doppelt so hoch werden können wie männliche? Männer mit so hohen Cortisol-Werten würden wahrscheinlich schreiend aus dem Fenster springen. Durch eine stabile und funktionale Beziehung lässt sich jedoch dem überhöhten Cortisolwert einer Frau entgegenwirken – mit Oxytocin-Ausschüttungen in kleinen aber regelmäßigen Dosen, wie Gray betont. Regelmäßigkeit ist hier der springende Punkt. Wenn Männer die Fähigkeiten entwickeln, um mit ihren Frauen richtig zu sprechen, zu lachen, zu schlafen oder sogar zu streiten, werden sie dadurch immer wieder kleinere Oxytocin-Schübe in der Frau auslösen. Dabei meint Gray die kleinen Dinge im Leben. Machen Sie Komplimente, beachten Sie die Frau, loben Sie sie und im Streitfall… lassen Sie sie einfach ausrasten und ertragen Sie es, ohne selbst laut zu werden. Immer wenn eine Frau bemerkt, dass ihr Mann richtig gehandelt hat und sich wirklich um ihre Wünsche und Sorgen kümmern möchte, zack… wird das mit einer kleinen Oxytocin-Ausschüttung belohnt. Jeder Mann kann solche Fähigkeiten entwickeln. Alles was es braucht, ist etwas Geduld und Aufmerksamkeit (das gute alte Commitment).

pop art rose

Und John Gray hält noch einen guten Ratschlag für alle Männer parat: Männer sollten aufhören zu kalkulieren. Im Rahmen der Gottman-Konstante hatten wir zwar bewiesen, dass es tatsächlich eine Art Punktekonto gibt, auf dem sich alle positiven und negativen Taten eines Mannes in einer Beziehung sammeln. Gray rät trotzdem davon ab, dieses Punktekonto mit einem Girokonto zu verwechseln. Einmal zwei Dutzend Rosen einzuzahlen, heißt also nicht, dass der Mann sich 24 Punkte auf der Habenseite seines Kontos zuschreiben darf, sondern nur einen. Vielleicht sind es an guten Tagen zwei Punkte, wenn er mehr als hundert Rosen romantisch in der ganzen Wohnung drapiert hat… in der Regel reicht jedoch eine Rose. Es geht um die Geste per se, nicht um die Quantität dieser Geste. Es sind also oftmals die kleinen selbstlosen Nettigkeiten, die den Ausschlag geben, so Gray.

Auch für Frauen gibt es clevere Tipps, die totsicher das Testosteron ihrer Männer aufbauen werden. Immer wenn er eine Pause macht, sollte sie einwerfen „Das stimmt, das macht Sinn“ „gute Idee“ oder „Du hast völlig recht“. Bei Männern gehen solche Bestätigungen runter wie Öl und sind reinster Balsam für ihre Seele. Wenn Sie einen Mann nach so einem Satz genau beobachten, können Sie förmlich dabei zusehen, wie er einen bestätigenden Testosteron-Schub erhält, so John Gray. Die Tatsache, dass der Experte 17 Bücher mit diesem Thema füllte, lässt Sie vermutlich schon erahnen, dass wir in diesem Beitrag nicht einmal ansatzweise an der Oberfläche seines Forschungsgebietes kratzten Für alle, die mehr zu Gray`s Forschung erfahren möchten, empfehle ich das Buch „Men are from Mars, Woman are from Venus“.

Quelle:
Gray, J. “Mars brain Venus brain: John Gray at TEDxBend” Am 20.06.2014 von “TEDx Talks” auf Youtube hochgeladen.

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