Intimität, Respekt, eine funktionale Kommunikation und gegenseitige Wertschätzung stellen für die meisten Menschen grundlegende Kernelemente guter Beziehungen dar. Auch die Wissenschaft geht mit diesem Normenkatalog d’accord. Fehlen diese charakteristischen Merkmale, entwickelt sich oft eine ausgeprägte Streitkultur, die jegliche Debatte unmöglich werden lässt. Fehlender Rückhalt und mangelndes Vertrauen sowie gegenseitiger Groll (bis hin zu Aggressionen) sind vorprogrammiert. Dabei sind sich eigentlich die meisten durchaus über die Voraussetzungen guter und schlechter Beziehungen im Klaren. Wie sich eine Beziehung aber auf täglicher Basis funktional erhalten lässt, ist nicht so einfach in Worte zu fassen.

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„Wie hält man Beziehungen gesund?“, so die Frage der Paartherapeutin Joanne Davila. Tagtäglich sehen wir gelungene Beziehungen und wir alle kennen vermutlich Menschen, die eine glückliche Partnerschaft führen. Und trotzdem erfüllt es viele mit Ratlosigkeit, wie auch sie eine solche Beziehung führen können und stolpern daher in manchen Fällen planlos über die Trümmer ihrer einstigen Romantik-Luftschlösser.

Joanne Davila bemerkte im täglichen Umgang mit ihren Klienten, dass vielen Menschen erst im Zuge einer professionellen Paartherapie die Wege für eine gesunde Beziehung aufgezeigt bekommen. Dann jedoch ist es (zumindest statistisch gesehen) für viele Paare zu spät, denn auch die beste Paartherapie ist sinnlos, wenn die Romantik bereits verflogen ist. Emotional ist zwischen zwei Menschen bereits so viel zerstört, dass selbst die beste Paartherapie der Welt nicht mehr helfen kann. Obwohl es deshalb längst Beratungsangebote für Pre-Marriage-Counseling-Education inkl. Vorab-Therapien gibt (Also Paartherapien schon vor der Hochzeit), ist auch dieser Schritt in den Augen von Joanne Davila nicht früh genug, da sich die Partner bereits aufeinander fixiert haben – sie wollen ja immerhin heiraten… Nach ihrer Meinung sollte jeder sich das Wissen um die Funktionalität romantischer Beziehungen so früh wie möglich aneignen, um bereits vor dem ersten Date gewappnet zu sein. Gerade jüngeren Menschen sollte dieses Wissen so früh wie möglich vermittelt werden, so die Paartherapeutin.

Davila und ihre Kollegen haben ein Schema von Fähigkeiten erarbeitet, mit dessen Hilfe das Verständnis erlernt werden kann, was sie „Romantik-Kompetenz“ nennen. Diese Kompetenz soll die Grundlage dafür schaffen, alle Prozesse einer Beziehung erfolgreich managen zu können. Ihr Maßnahmenkatalog ist keinesfalls das Produkt ihrer Fantasie, sondern wurde auf Basis von empirisch überprüften Theorien generiert und stellt die Grundlage für ihre erfolgreiche Tätigkeit an der Paarberatungs-Front.

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Hier die wichtigsten Skills zur Romantik-Kompetenz, die Joanne Davila und ihre Kollegen bestätigen konnten:

Insight (Einsicht): Damit ist gemeint, dass wir alle uns die Frage stellen sollten, wer wir tatsächlich sind und wie unsere Ziele tatsächlich aussehen. Hinterfragen Sie sich selbst, versetzen Sie sich in die Lage Ihres Partners und versuchen sie, jeden Konflikt aus beiden Perspektiven zu betrachten, bevor sie sich dazu äußern. Entwickeln Sie die Fähigkeit, Einsicht in den Geist des anderen zu haben. Damit bekommen Sie ein besseres Verständnis für Ihren Partner. Gerade im Streitfall blenden wir zu gern fremde Perspektiven aus. Reflektieren Sie frühere Fehler. Haben Sie selbst vielleicht eine Angewohnheit, die ihren Partner in jedem Streit zusätzlich auf die Palme bringen kann? Versuchen Sie nicht nur zu verstehen, weshalb dies so ist, sondern versuchen Sie, die Perspektive zu wechseln und fragen Sie sich, wie Sie damit umgehen würden, wenn Ihr Partner das mit Ihnen macht.

Mutuality (Gegenseitigkeit): Beide Partner haben Bedürfnisse. Durch Gegenseitigkeit erlernen Sie die Bedürfnisse zu berücksichtigen – Ihre und die Ihres Partners/ Ihrer Partnerin. Versuchen Sie Kompromisse zu finden und zeigen Sie, dass sie die Emotionen, Probleme, Sorgen und Wünsche Ihres Partners als gleichwertig wichtig neben Ihren eigenen betrachten. Zeigen Sie Ihrem Partner, dass aus Ihrem ICH ein gemeinsames WIR geworden ist und, dass wichtige Entscheidungen nur im beiderseitigen Einverständnis getroffen werden können. (Mehr zum Thema Commitment). Sie können extrem punkten, wenn Sie die Bedürfnisse Ihres Partners unterstützen. Wie genau dieser Support aussieht, erfordert dann wiederum Insight und Ihre eigene Kreativität. Davila betont, dass es die kleinen Dinge eines gemeinsamen Lebens ausmachen können. Wenn Ihre bessere Hälfte ein bestimmtes Ritual pflegt, dann unterstützen Sie genau dieses. Wenn ihr Partner bei etwas Unbehagen oder sogar Angst hat, dann stehen Sie ihm/ihr in dieser Sache bei. Abseits der tagtäglichen Bedürfnisse erfordern auch die meisten großen Entscheidungen zumindest eine ernsthafte Auseinandersetzung aus der Gegenseitigkeits-Perspektive.

Emotion-Regulation (die Ruhe bewahren): Wer seine emotionalen Gefühlswelten im Griff hat, wird sich in Krisensituationen als stark, emotional gefestigt und stabil empfinden. Nun… Das geht nicht nur Ihnen so, sondern wird auch Ihrem Partner und anderen Mitmenschen positiv auffallen. Viele Frauen suchen konkret ihren metaphorischen Fels in der Brandung. Emotion-Regulation ist dabei eine der wertvollsten Kernkompetenzen. Sie werden vielleicht nicht immer beweisen können, dass sie sie haben, aber sie können es zeigen, wenn es wirklich drauf ankommt – beispielsweise in Krisenzeiten. Gerade wenn man im ersten Augenblick nicht weiß, wie man eine Krise bewältigen soll, kann Emotion-Regulation die innere Überzeugungskraft bestärken, sodass Sie schneller neuen Mut fassen können – eine emotionale Selbstmanipulation, wenn Sie so wollen. Zugegeben… zunächst klingt es vielleicht wie eine gute Verdrängungsstrategie, doch die Techniken der Emotion-Regulation-Methode gehen weit darüber hinaus.

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Davila fügt diesen drei Kategorien direkt ein praktisches Beispiel hinzu, um das Prinzip zu verdeutlichen. Sie bezieht sich auf eine ihrer Klientinnen. Die Frau wurde von ihrem Mann gefragt, was sie sich zum Geburtstag wünsche. Die Antwort lautete „Gar nichts, Schatz.“ Also bekam sie auch nichts und es kam zu einem heftigen Streit, so Joanne Davila. Hätte die Frau jedoch die drei Säulen der Romantik-Kompetenz angewandt, hätte sie…:


Insight-Fähigkeit: Wissen müssen, dass sie sich in ihrer tiefsten Seele doch eine Aufmerksamkeit gewünscht hat. Ferner hätte Sie vielleicht ahnen können, dass Ihr Mann nicht selten Aussagen wörtlich nimmt.


Mutuality-Wissen: Bevor sie ihren Mann vor den Rollenkonflikt (liebender und gleichzeitig weisungsbefugter Ehemann) gestellt hat, hätte sie reflektieren können, wie sie selbst auf eine derartige Aussage reagiert hätte. Vor diesem Hintergrund hätte sie vermutlich erst gar nicht so wage geantwortet.


Emotion-Regulation: Sie hätte sich über ihre Emotion klar werden können, weshalb sie keine Wünsche äußert, obwohl sie insgeheim Wünsche hegt. Außerdem hätte sie den Wutausbruch an ihrem Geburtstag vielleicht auch anders managen können. Emotion Regulation spielt jedoch nicht konkret auf Frust-Management oder Konfliktlösungsstrategien ab, sondern möchte ein reflektiertes Verständnis sämtlicher Gefühle und den rationalen Umgang mit ihnen ermöglichen.

An diesem einfachen Beispiel sehen wir schnell, wie komplex das Konzept der Romantik-Kompetenz tatsächlich ist. Der Ansatz ist jedoch nicht nur für individuelle Beziehungsrettung zu empfehlen, sondern beweist nicht zuletzt ein enormes soziologisch-pädagogisches Potenzial. Joanne Davila erforschte vor einigen Jahren die drei Skills zur Romantik-Kompetenz in einer Forschungsreihe mit jungen Mädchen (in der Altersgruppe 13-14 Jahre). Jene Probandinnen, die ein höheres Maß an Romantik-Kompetenz zeigten, bewiesen auch eine ganze Reihe positiver Folgeerscheinungen: Sie fühlten sich in Gesellschaft anderer Menschen sicherer, waren sozial kompetenter, insgesamt glücklicher/optimistischer sowie emotional ausgeglichener und gingen viel bewusster, verantwortungsvoller sowie reflektierter mit eigenen Dating-Erfahrungen um, als jene Mädchen mit weniger ausgeprägten Skills, so Joanne Davila. Diese Effekte stellen nur einen Bruchteil der positiven Nebenerscheinungen dar, welche die Forscher bestätigen konnten. Kurz gesagt: Menschen, die schon in jungen Jahren eine hohe Romantik-Kompetenz beweisen, sind sozial erfolgreicher, sicherer im Umgang mit anderen Menschen und emotional gefestigter sowie glücklicher. Davilas Forschung ist noch längst nicht abgeschlossen, aber die Paartherapeutin ist da möglicherweise einer Idee auf der Spur, welche vielleicht schon in einigen Jahren das Schulfach „Romantik-Kompetenz“ begründen wird. Frei Ihrem Motto: „So früh wie möglich…“

Quelle:
Davila, J. „Skills for Healty Romantic Relationships | Joanne Davila | TEDxSBU“ Am 17.11.2015 von „TedxTalks“ auf Youtube hochgeladen.

https://www.youtube.com/watch?v=gh5VhaicC6g