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Andere singbare Liebesbekundungen wurden in sumerischen Texten auf etwa 1000 v. Chr. zurückdatiert. So gesehen haben Ovid und Ed Sheeran den gleichen Beruf, wenn auch in einem anderen historischen Kontext. In allen Epochen und Genres, von klassischem Minnegesang bis Heavy Metal, wurde die Liebe schon besungen, gelebt oder betrauert. Viele daraus entstandene Songs sind kultige Evergreens, die wirklich jeder kennt. Lovesongs scheinen daher das Potenzial zum musikalischen Dauerbrenner mit sich zu bringen.

Aber woran liegt das und warum gibt es eigentlich so viele Liebeslieder? Da kommt eine ganze Reihe von Gründen ins Spiel. Zum einen ist die Liebe eines jener Gesellschaftsthemen, bei dem so ziemlich jeder mitreden kann. Gerade heute, wo alle produzierten Song nur wenige Mausklicks von uns entfernt im Internet abrufbar sind. Da braucht man ja ein Thema, welches bei möglichst vielen Rezipienten ankommt. Warum dann nicht Liebe?! Nur etwa 5% aller Menschen versuchen in ihrem Leben nicht wenigstens einmal, eine langfristige Beziehung aufzubauen. Somit ist das Thema Liebe wesentlich relevanter, als die meisten anderen Gesellschaftsaspekte. Es ist gut möglich, dass schon in der Antike eine Flut an Liebesliedern existierte. Zumal das Konzept der gegenseitigen Zuneigung über kulturelle und generationale Grenzen hinweg konstant bleibt. Die Auslebung der Liebe verändert sich, aber unser Wunsch danach ist so alt wie die Menschheit selbst. Jeder kennt sie und somit können alle mitreden. Dieser inklusive Charakter verleiht der Idee Relevanz, immer wieder neue Liebeslieder zu schreiben. Schon immer versuchten also ganze Generationen von Liedermachern, die Seele der Frau in ihren lumischen Anspielungen zu ergründen. Quizfrage: Was haben Siegmund Freuds „Psychoanalyse“, Deep Purples „Strange kind of woman“, Herbert Grönemeyers „Wann ist ein Mann ein Mann?“ und Joe Cockers „Woman to Woman“ gemeinsam? Tja: Sie alle konnten keine Antwort auf die Frage finden, was Frauen wirklich wollen. Das mysteriöse an der Liebe ist zugleich ihr nächster Bonusfaktor. Was unergründlich wirkt, kann immer wieder spannend und zeitlos für uns werden.

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Ein weiterer Grund liegt in der Facetten-Vielfalt. Als George Michael noch ein leises „Careless Whisper“ flüsterte, schrie Steven Tyler von Aerosmith seine Hymne auf die Liebe mit „I don`t Want to Miss a Thing“ regelrecht heraus. Und während Campino von den Toten Hosen den „Frauen dieser Welt“ noch ein freundliches Hallo entgegen grüßte, hatte es Roger Cicero längst begriffen, als er sang „Frauen regieren die Welt“. Heinz Rudolfs Kunzes „Dein ist mein ganzes Herz…“ ist ein rockiger Ohrwurm, der sich allemal lohnt. Obwohl der Song damals unter dem Genre „Adult Contemporary“ geführt wurde, ist die Liebe zudem auch meist ein unverfängliches Thema, das sich durchaus auf die öffentlichen Bühnen tragen lässt. Apropos Bühne: Auch einige Filmsoundtracks haben es auf die Liste der besten Liebeslieder aller Zeiten geschafft. Obwohl die Filmhandlung und überzeugende Darsteller durchaus ihren Teil dazu beitragen, können Songs wie „My heart will go on“, auch locker ohne jede Hollywood-Fassade verzaubern.

Neben dem Gefühl Liebe per se, bieten Einsamkeit, Beziehungsstress, Geschlechterklischees, Eifersucht, Trennungsschmerz, Verzeihen und vieles mehr eine Plattform, um Musik einen Text zu verleihen. Manche Bands haben nie etwas anderes gemacht, außer die Spielarten von Liebe und Beziehung zu besingen. Und trotzdem hat es gereicht, um eine musikalische Weltkarriere darauf zu begründen. Denken Sie nur an die vielen Lovesongs von Elton John oder Phil Collins. Neill Young ist schon seit 1972 auf der Suche nach seinem “Heart of gold” – und wurde tatsächlich alt dabei. Das unerschöpfliche Thema Liebe wird in der Musik wohl niemals abgehakt werden. Im Gegensatz zur Realität, ist die Lyrik zudem sehr einfach formbar. Elton Johns “Candle in the Wind” wird meist mit dem Tod von Lady Diana verbunden, war jedoch eigentlich schon 1974 erschienen und als Andenken an Marylin Monroe gedacht, deren bürgerlicher Name auch den ursprünglichen Titel „Goodbye Norma Jean“ erklärt – obwohl der Song wohl eher ein klassisches Trauerlied ist.

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Bei den meisten Lovesongs wird hingegen das Gefühl des Begehrens zum zentralen Thema. Eric Clapton hat „Layla“ eigentlich exklusiv für Pattie Boyd geschrieben. Tatsächlich ist sie die Layla aus dem Blues-Rock-Klassiker. Ewig bekniet, aber dennoch für immer unerreichbar. Nach etlichen Annäherungsversuchen war es Erics wundervoller Liebesbeweis aus 1970, der Boyds Herz zum Schmelzen brachte. Die beiden wurden ein Paar. Pattie Boyds damaliger Freund, George Harrisson von den Beatles, nahm es übrigens gelassen und freute sich für die beiden – auch wenn diese Ehe ebenfalls nur kurz anhielt. Der U2-Klassiker „The Sweetest Thing“ kam hingegen nur deshalb zu Stande, weil Bono 1987 den Geburtstag seiner Frau Ali Hewson verschusselt hatte und eine gute Entschuldigung brauchte. Andere Künstler, so wie „TimeBelle“ mit „Singing about love“, blicken musikalisch schlicht nur durch die rosarote Brille… die Freude über ihr Liebesglück sei ihnen gegönnt. Toto und später auch noch Joe Cocker thematisierten wiederum die Angst vor dem Freiheitsverlust und einem angeketteten Herzen – „Don´t chain my heart“. Und wem die Liebe verwehrt bleibt, kann den einsetzenden Liebeskummer immer noch als Steilvorlage für melancholisches Sound-Geheule benutzen, so wie bei „Stop draggin my heart around“ von Stevie Nicks und dem legendären Tom Petty oder Nazareths „Love Hurts“. Sie merken es sicherlich schon: Auch thematisch ist die Liebe in der Musik perfekt aufgehoben.

Bedenken Sie außerdem: Ohne schmachtende Singles gäbe es wahrscheinlich etliche tolle Liebeslieder gar nicht. Die britische Poprock-Band Yes dümpelte solange am Abgrund der Vergessenheit herum, bis sie sich musikalisch an die Besitzer eines einsamen Herzens wandten. Der Durchbruch von „Owner of a lonely heart“ erreichte beinahe Überschallgeschwindigkeit. Auch das Ende einer Liebe hat so manchen trauernden Liedermacher inspiriert. Hätte sich Gwen Stefani damals nicht von ihrem Freund getrennt, wäre das Lied „Don`t Speak“ niemals zum Platinalbum geworden. Der wahrscheinlich berühmteste No-Doubt-Song sagt uns, dass man eine Trennung nicht mit Worten erklären kann. Andere schafften das trotzdem. Patti D`Arbanville, die in 1968 mit dem Erotikfilm „Flesh“ berühmt wurde, verdrehte Cat Stevens im gleichen Jahr gewaltig den Kopf. Beide schienen das perfekte Traumpaar zu sein, bis Patti ihre Satisfaction bei Mick Jagger zu finden schien und Cat Stevens für den Rolling Stone verließ. Cat Stevens Welt brach in sich zusammen. Erst nach zwei Jahren Trauerarbeit kam er in 1970 mit dem zynischen Song „My Lady D`Arbanville“ über seine geliebte Patti hinweg. Nachdem er neuen Mut geschöpft hatte, gelangen ihm dann auch wieder Superhits wie „Morning has broken“ oder „Father and Son“.

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Während manche Songideen somit dem Zufall entspringen, sind sie für andere Künstler das tägliche Brot. Gerade seit den 1990ern wurden Bands konkret für das Ziel gecastet, die perfekte Lovesong-Band zu erzeugen. Backstreetboys, Caught in the act etc… Justin Timberlake schrieb Britney Spears in 2002 „Cry me a river“, sie antwortete 2004 mit “Everytime”. Das Thema Liebe ist jedoch in fast allen Musikrichtungen vertreten. Sobald die Message eines Songs ein klares Ziel gefasst hat, bekommt ein Lied echte Struktur. Der genaue Inhalt könnte dann gar nicht formbarer sein. Metallicas „Nothing else matters“, der halbe Lovesong der Ärzte, LL Cool J. mit “I need love”…, der kanadische Rapper Drake brachte sogar ein ganzes Album zum Thema Liebe heraus. Unabhängig vom Musikgeschmack, wollen also scheinbar alle Musikfans mehr (von) davon hören.

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Im Grunde hören wir im Mainstream auch immer wieder nur das Gleiche – jedoch jedes Mal etwas anders verpackt. Ist Ihnen schon aufgefallen, dass sich hinter den berühmtesten Radiosongs aller Zeiten ganz oft dieselben Musikriffs verbergen? „With or without you“, „Forver Young“, „Happy Ending“, „Whereever you will go“, “Can you feel the love tonight”, “Pictures of you Pictures of me”…, alle diese Songs werden musikalisch mit den gleichen Akkorden in der gleichen Reihenfolge gespielt. Die australische Comedy-Band Axis of Awesome brachte 2009 in ihrem „Four Chords Song“-Sketch (auf deutsch: Der Vier-Akkorde-Song) dutzende weitere weltbekannte Erfolgshits unter, ohne dabei die Musik zu verändern. Aber selbst, wenn wir immer wieder das gleiche hören, lässt es uns doch auch immer wieder begeistert zuhören oder sogar mitsingen. Als Geschäftskonzept läuft die Lovesong-Industrie also völlig zu Recht super.

Mit Blick auf unsere Ursprungsfrage lässt sich noch ein soziologischer Faktor aus der Medienwirkungsforschung beisteuern, den wir bereits in anderen Artikeln aufgegriffen haben. In unserem Beitrag über Promipaare hatten wir festgestellt, dass Prominente (also auch beliebte Musik-Stars) den Rahmen dessen setzen, was Liebe für uns ist. Sie geben gewissermaßen vor, woran sich die Masse orientieren kann. Gerade in Liebesfilmen oder Lovesongs wird die Art zu lieben immer neu dargestellt. Jede dieser Darstellungen besitzt ein gewisses Potenzial, dass wir ihr nacheifern wollen. Der Film „Kein-Ohr-Hasen“ brachte uns bei, ein kaputtes Plüschtier als romantischen Liebesbeweis zu betrachten. Obwohl die Ergebnisse aus solchen Ideen nicht selten durch kommerzielle Perfektion verzerrt werden, eifern die meisten von uns im blinden Kollektiv dem romantischen Fehlschluss hinterher. Wir wollen jedoch Eros Ramazzotti oder den Beatles hier gar nicht absprechen, eine sehr romantische Ader zu haben… erinnern wir uns trotzdem an den Überstrahlungseffekt. In diesem Zusammenhang lässt sich also sagen: Wer einen bezaubernden Liebessong nach dem nächsten veröffentlicht, kann damit ein Bild von der Liebe generieren, an dem sich die Gesellschaft ausrichtet. Das wiederum verändert die Liebe von Generation zu Generation, obwohl eigentlich immer nur das gleiche Schema auf immer neue kontemporäre Zeitkontexte umgemünzt wird. Zusammengefasst also: Unsere Gesellschaft wird immer Lovesongs hören wollen. Sie werden immer ein Verkaufskonzept bleiben. Und weil sich die Liebe dadurch immer weiter ausdifferenzieren wird, brauchen wir auch immer neue Liebeslieder. Musik ist etwas Wunderbares, die Liebe ebenfalls, also kann in der Kombination aus beidem gar nichts Falsches herauskommen.

Abschließend noch ein Tipp für bzw. gegen Ohrwürmer: Meist sind es ja die einfachsten Melodien, die uns gar nicht mehr aus dem Kopf zu gehen scheinen. Bevor Sie sich von einem Ohrwurm verrückt machen lassen, summen Sie ein paar andere einfache Lieder, damit sich die mental eingebrannte Melodie zerstreuen kann. Klappt bei mir immer…

Quellen:

Herwig, C. „Liebeslieder der Stars – Songs of Love“ Glamour vom 19.05.2017. URL: https://web.archive.org/web/20170619175448/https://www.glamour.de/liebe/beziehung/liebeslieder

Der Vier Akkorde Song „Four Chords Song“, von „Axis of Awesome“ am 10.12.2009 auf Youtube hochgeladen.

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