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Der Psychotherapeut und Autor des Buches „Männerseelen“ Björn Süfke vertritt die These, dass Männer oftmals nicht wissen, wie es ihnen emotional geht. Männer finden auf die Frage nach der eigenen Befindlichkeit nicht sofort eine klare Antwort. Laut dem Psychotherapeut und Autor haben Männer, im Vergleich zu Frauen, erhebliche Probleme in der Erfassung der eigenen Empfindungen. Das soll nicht heißen, dass Männer unfähig dazu wären diese Gefühle zu entwickeln. Sie sind ebenso empathisch wie Frauen, auch wenn Männern dies oftmals nicht so präsent ist.

Aber woher stammt eigentlich der Verhaltensunterschied der Geschlechter? Ganz einfach: Männer blocken empathische Gefühle viel häufiger ab, als Frauen. Sie sind also nicht gefühlsärmer, sondern sie wissen manchmal einfach nicht, was genau in ihnen vorgeht und wie sie ihre Gefühlswelten ausdrücken können. Proportional stehen Männer viel häufiger vor diesem Problem, als Frauen. Das Spektrum menschlicher Gefühle ist sehr breit. Gerade Gefühle wie Trauer, Angst oder Scham machen Männern große Probleme. Sie lassen sie hilflos wirken, was ihren Rollenanforderungen klar zuwider ist. Süfke spricht von „unmännlichen Gefühlen“. Jeder kennt bestimmte Geschlechterklischees davon wie Männer und Frauen sich klassisch verhalten sollen. Ziel ist es stets, dem eigenen Geschlechterideal zu entsprechen. Daraus resultiert, gerade bei Männern, ein grundsätzlicher Verhaltenskodex: Zeige bloß keine weiblichen Gefühle, denn du bist ein Mann und willst auch als Mann gesehen werden. Auch andersherum wollen Frauen nicht gern als Mannsweiber gelten und betonen feminine Attribute in ihrem Aussehen und Auftreten. Der Experte definiert diese Gedankenketten als unterbewusste Prozesse der Abgrenzung gegenüber geschlechtsuntypischen Verhaltensmustern. Männer haben Angst vor weiblichen Gefühlen, weil sie befürchten, dadurch am Ende emotional zu verweiblichen.

Ein Grund dafür liegt in der „Gefühlserziehung von Jungen“, so Süfke. A priori immer den Eltern die Schuld für alle verkorksten Lebensaspekte zu geben, ist zwar oft genug eine vereinfachte Perspektive, aber in diesem Fall liegen die Wurzeln für männliches Abgrenzungsverhalten gegenüber weiblichen Gefühlen tatsächlich in der Jugend. Das klassische Erziehungsmodell räumt der Mutter heute noch immer mehr Erziehungszeit ein, als Männern. Frauen gehen häufig offener mit Emotionalität um und äußern auch öffentlich einen anderen Bezug zu eigenen Gefühlen wie Trauer oder Empathie. Diese Schemata erlernen Jungen öfter im Umgang mit der Mutter – aus einer weiblichen Perspektive also. Der Junge ist sich aber darüber im Klaren, dass dies weibliche Interpretationen sind und grenzt sich mit zunehmender Pubertät davon ab. Daher fördern Väter, die ihren Söhnen gegenüber emotionale Gefühle zeigen, einen offenen Umgang mit männlichen Gefühlsregungen. Süfke führt aus, dass es wichtig für Jungen sei, auch emotionale Regungen bei männlichen Bezugspersonen zu beobachten. Sie erlernen, dass Gefühle auch für Männer relevant sind.

Weitere Gründe sieht der Experte im Bild, welches wir noch heute von der klassischen Männerrolle haben. Viele Männer haben zwar soziale Kumpel-Kreise, aber immer öfter haben sie keinen echten Freund, mit dem sie über intime Probleme offen sprechen könnten. Emotionen werden in Männer-Cliquen zudem häufig weggelacht oder als überflüssiger Weiberkram abgetan.

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Ein offener Umgang mit Gefühlen ist dabei erheblich gesünder für unsere Psyche, als Unterdrückungsstrategien. Sicherlich sind Frauen nicht grundsätzlich emotionaler als Männer, sie zeigen dies nur häufiger. Sie sind affiner für Gefühlsausbrüche und setzen sich aktiver mit dem eigenen Bewusstsein auseinander.

Frauen erkennen zwar schneller psychische Probleme an sich als Männer… das macht die männlichen Isolationsstrategien jedoch noch lange nicht zu einem cleveren Schachzug. Männer lassen etwaige Gefühlsprobleme häufig länger schleifen. Statistisch sind sie damit anfälliger für Suchtverhalten, Persönlichkeitsstörungen und haben eine dreimal höhere Suizidrate als Frauen, so Süfke. Eine Studie der TU Dresden gibt ihm völlig recht. Die Zahl an männlichen Neuerkrankungen in psychologischen Betreuungsprogrammen liegt bei 22%, die weibliche bei 33%. Frauen sind damit statistisch betrachtet anfälliger für psychische Erkrankungen. Einschränkend muss man dazu sagen, dass heute die Bandbreite an möglichen Krankheitsbildern des Geistes zugenommen hat. Ferner ist auch die Bereitschaft gestiegen, sich selbst zu psychischen Baustellen zu bekennen, wie ein Blick in die Entwicklung von Krankschreibungen beweist.

Männer sind (metaphorisch betrachtet) also zu unterbewussten Experten der Gefühlsabwehr geworden. Das ist zwar nicht besonders gesund, aber wenigsten männlich. Ist doch prima. Wenn Männer ihre Gefühle nicht an sich heranlassen, merken sie also gar nicht, wenn sie etwas belastet. Wer den Schmutz gar nicht sieht, braucht ja auch nicht zu putzen…

Falsch! Experten gehen mittlerweile davon aus, dass Männer fast ebenso emotional sind wie Frauen und im gleichen Maße Depressionen entwickeln können. Maria Möller-Leimkühler spricht von einer „Männlichen Depression“. Die Sozialwissenschaftlerin an der LMU München bezieht sich auf eine Erhebung der Universität Michigan aus 2015, die anhand von 5700 Probanden geschlechtsspezifische Depressionsraten ermittelte. Die Ergebnisse wiederlegen die Annahme, Depressionen seien hauptsächlich Frauenleiden. Depressive Probleme rühren bei Männern oft von einer Krise der Selbstbestätigung her. Sie erkranken in Folge von Mobbing sowie bei fehlender, oder zu gering empfundener, Anerkennung durch ihr Umfeld. Frauen zerbrechen statistisch eher an sozialen Krisen oder zeitlicher Überforderung. Daneben existieren natürlich noch geschlechterunabhängige Auslöser (steigende Mobilität, Zukunftsängste, prekärer werdende Arbeitsmarktbedingungen oder gesundheitliche Probleme/Sorgen). Dazu kommt noch die Krise der traditionellen Männerrollen, so der Sozialöknonom Harry Friebel. Frauen haben heute längst gelernt sich auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten und überholen Männer immer öfter auch auf höchsten Karriereleitern. Das nagt (aus männlicher Perspektive) natürlich am Stolz, rüttelt an Weltbildern und schürt Neid.

Herb Goldberg leistete entscheidende Beiträge zur modernen Rolle der Männer. Für den Psychotherapeuten ist der allgemeine Erwartungsdruck an moderne Männer die Ursache für viele Depressionen und Angststörungen. Während Männer früher in keinster Facette weiblich wirken durften, ist der Begriff Hausmann mittlerweile so alltäglich wie alleinerziehende Väter. Der Autorin Susan Faludi zufolge haben heutige Männer dennoch enorme Probleme, sich in weiblichen Rollenmustern verwirklichen zu können. Laut Faludis Buch „Das betrogene Geschlecht“ würden Männer zunehmend daran scheitern, glückliche Beziehungen zu halten. Zunehmender beruflicher Stress, das Fehlen emotional hochwertiger Freundschaften (außer in der Familie) und ein Mangel an Bewältigungsstrategien führen zu Frust, Depression, Impotenz… und wenn die Partnerin damit nicht richtig umgeht, erzeugt das wieder neue Probleme. Janice Halper, Psychologin aus Kalifornien hat in einer Studie belegen könne, dass über 70% der leitenden Positionen (Direktoren, Manager, Präsidenten) unter Depressionserkrankungen leiden. Halper nennt sie „Sklaven ihrer Machtposition“.

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Also ist es doch keine so tolle Anpassungsstrategie, die eigenen Gefühle unberücksichtigt zu lassen. Wer sich eigenen Wünschen und Bedürfnissen verschließt, kann tatsächlich emotional verkrüppeln. Männer verlieren dadurch ihren Bezug zur eigenen Empfindungen. Wenn SIE sich also das nächste Mal fragt, warum ER so ein gefühlskalter Trottel ist, dann ist entnervter Zorn vielleicht unangebracht. Entsprechende Anschuldigungen sollten daher ebenso vermieden werden. An der persönlichen Wahrnehmung und Empathiefähigkeit des Partners lässt sich rein gar nichts mit forderndem Druck verändern. Verständnis ist hier der Schlüssel. Machen Sie sich bewusst, dass Ihr Partner vielleicht wirklich gerade keine Ahnung von seinen eigenen Emotionen hat. Das heißt noch nicht, dass er zu blöd wäre oder Sie ärgern möchte, sondern das ist einfach ein Ergebnis männlicher Sozialisationsprozesse. Außerdem antiquiert sich der Trend des entemotionalisierten Machos im zunehmenden Maße. Kühle Distanz zu Emotionalität wird zunehmend uncool und auch Männer werden heute zunehmend empathischer. Vielleicht lässt sich daraus eine eigene Forschungsfrage konstruieren. Zeigen Sie also in Zukunft etwas Nachsicht, denn…

…“manchmal entspringt die größte Nachsicht mit einem Menschen aus der Verzweiflung an ihm“, wie es Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach bereits 1916 erkannte.

Mit Liebe recherchiert…

Quellen:
Süfke, B. „Männer verstehen – Was treibt sie an? Worunter leiden sie? Was wollen sie wirklich?“ Psychology Heute compact. Beltz 2015 Heft 40; Seite:8-12

Burger, K. „Männer – hart im Nehmen?“ Psychology Heute compact. Beltz 2015 Heft 40; Seite:26-29

Hollstein, W. „Ganz nah am Abgrund“ Psychologie Heute compact „Männer verstehen“ Heft 40 2015, S.14-18